Zitadellenstadt Berlin-Spandau ?

Meine Meinung zum neuen Logo Spandaus:
Dass der Spandauer an sich oft eine Marke ist, muss nicht extra betont werden.

Im Rahmen der regionalen Tourismusentwicklung, einem EU geförderten Projekt des Bezirksamtes Spandau, der Arbeitsagentur und der Partner für Spandau GmbH (PfS), wurde bei der Agentur Plex die Schaffung einer einheitlichen Darstellung Spandaus ( Corporate Identity ) in Auftrag gegeben. Ein Logo, richtiger eine Marke oder ein Markenname, wurden entwickelt.
Bei der Präsentation des Tourismuskonzeptes für Spandau durch die PfS GmbH, am 27. Januar 2005 in den Italienischen Höfen der Zitadelle, erläuterte Frau Prof. Hasse den Entwicklungsweg des Logos und der dazu gehörenden Textzeile.

Ausgehend vom einem Mittelpunkt, hier der Zitadelle ( richtiger dem Juliusturm ), wurden mehrere Kreise, jeder ein wenig größer als der vorherige, ähnlich einer Zielscheibe, angeordnet. Auf den so entstandenen Unterteilungen können so z.B. Firmen, Hotels, spezielle Events, kreisförmig um den Mittelpunkt angeordnet werden.
Da Kreise nun mal einen „geschlossenen“ Charakter besitzen, wurden sie unterbrochen, einem runden Labyrinth nicht unähnlich. Damit sollte ein offenes System, eine Öffnung nach außen, aber auch ein Zugang nach innen, dargestellt werden.
Um die Textzeilen platzieren zu können, wurde eine breite Öffnung mittig auf der rechten Seite gelassen.
Die übrig gebliebenen Kreissegmente wurden farbig unterlegt, eines, direkt über dem Mittelpunkt, wurde dem Zinnenkranz des Juliusturmes recht frei nachempfunden. Hier wurde während des erklärenden Vortrages auch das Wort „Krone“ genannt, obwohl Krone und Zitadelle bekanntlich wenig gemein haben.
Einige Betrachter vermochten auch ein Zahnradsegment zu erkennen – dies hätte ebenfalls Bezug zur Industriestadt Spandau.
Bei der farbigen Unterlegung soll blau auch für die Havel, beigebraun für Sandstein, rot für die Ziegel stehen.

Es gibt zwar keine Sandsteinvorkommen in Spandau, aber ein wenig davon wurde auch in der Zitadelle verbaut.
Warum die Kreissegmente direkt unter dem Mittelpunkt miteinander verbunden sind und keine Öffnung aufweisen, lässt den Schluss zu, dass keine Öffnung nach unten gewünscht ist. Dies würde auch erklären, warum die Spandauer Bevölkerung nicht in die „Markenentwicklung“ einbezogen wurde.
Die Textzeile „Zitadellenstadt Berlin-Spandau“ soll zum einen die regionale Zuordnung ermöglichen - Spandau gehört zu Berlin - zum anderen wird die Bedeutung des „Zugpferdes“ Zitadelle als touristischer Mittelpunkt hervorgehoben.
Das Wort Zitadelle leitet sich von dem italienischen Wort „Citadella“, frei übersetzt „kleine Stadt“, ab.
Somit würde der erste Teil des Markennamens der Übersetzung nach „Kleine StadtStadt“ entsprechen.
Des Weiteren entsteht natürlich die Frage: Ist Spandau eine Zitadellenstadt? Diese Frage ist klar mit Nein zu beantworten.
Spandau war eine Festungsstadt mit einer eigenen Stadtmauer, die erst 1903 endgültig beseitigt wurde. Neben Spandau lag die Zitadelle als eigenständige Festung, später als Staatsgefängnis genutzt. Die Spandauer, vor allem in der Nähe der Zitadelle, waren einer Vielzahl von Beschränkungen, nicht nur im Baurecht, unterworfen. Spandau als Stadt gibt es seit der Eingemeindung 1920 nicht mehr.
Die Zusammenführung von Stadt und Zitadelle ist historisch nie gelungen, war niemals gewollt und ist somit heute als Wortgefüge falsch.
Ob es geschickt ist, Berlin und Spandau gemeinsam zu nennen, um eine räumliche Nähe zu dokumentieren, getreu der oft gefallenen Aussage: „Wer will schon allein wegen Spandau zu uns“, mag dahin gestellt bleiben, da schon die Länge des Wortungetüms für eine „Marke“ zu lang ist.
Auch die Umsetzung des europäischen Gedankens ist zur Gänze nicht erfolgt. Die Hybris anzunehmen, dass Touristen aus dem nicht deutschsprachigen Raum mit den Begriffen etwas anfangen können, ist beachtlich. Über die Nutzung des Gedankenstriches in anderen Sprachregionen wurde dann wohl auch nicht nachgedacht. Wer stellt noch einmal das Geld für das Projekt zur Verfügung?
Die blasse Farbgestaltung des Logos lässt nur eine eingeschränkte grafische Einbindung zu.
Zusammen mit dem Textmonstrum, in einer angeblich angepassten mittelalterlichen Schrifttype ( Goudy Old Style Bold ), ist kein Blickfang entstanden. Das Auge des Betrachter bleibt weder hängen, noch ist ein Wiedererkennungswert gegeben.
Bei der Schrifttype handelt es sich übrigens nicht, wie vorgetragen, um eine angepasste „mittelalterliche Schriftart“, sondern um eine relativ junge Type, die von Frederic W. Goudy 1915 in Amerika geschaffen wurde.
Alles in allem ist festzustellen, das einige interessante Grundüberlegungen angestellt wurden, jedoch weder der historische Kontext beachtet, noch auf ein klares, unverwechselbares Design abgestellt wurde.
Es entsteht der Eindruck, als ob etwas „Halbfertiges“ präsentiert wurde, das auf seine Weiterentwicklung wartet.
Hierbei ist auch wenig nützlich, dass zu Beginn der Präsentation des Logos ausführlich auf die Meriten der Firma Plex und deren Position als eine der ersten 10 in Deutschland führenden CI-Entwicklern mit einer beachtlichen Referenzliste, hingewiesen wurde. Es klang schon ein wenig merkwürdig und hinterließ bei einigen perplexen Zuhörern den Eindruck, als ob damit ein gewisser Druck aufgebaut werden sollte.
In Spandau schaut man sich aber Dinge, die den Namen der Stadt nach außen tragen sollen, trotzdem gut an.

Resümee der Präsentation:
Nach 1 ½ Jahren wurden den geladenen Gästen folgende Ergebnisse präsentiert:

1) Zu dem schon bestehenden Veranstaltungsheft „Spandau-Live“ wird sich der „Spandau-Guide“ und ein „Shopping-Guide“ gesellen. Auf Mehrsprachigkeit, zumindest Englisch, wurde hingewiesen.
Diese Reihe wird sich durch Anzeigen finanzieren.
Diese Finanzierung erscheint bei der Vielzahl der in Spandau bestehenden Anzeigenblättern und anderen gut eingeführten Spandauführern, wie dem Altstadt-Führer der AG-Altstadt, mehr als fraglich. Die beiden letztaufgeführten Live-Hefte sind nach 1 ½ Jahren noch in der Planung. Die Verteilung wird in Berlin erfolgen. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass hier eine Einbindung in eine nach außen gehende Verteilung weder genannt, noch eine Werbung außerhalb Berlins überhaupt projektiert wurde. Somit erreicht man nur die Touristen, die sich schon in Berlin aufhalten oder sich sehr intensiv auf ihren Besuch in Berlin, vielleicht auch in Spandau, vorbereitet haben.

2) Touristische Erkundungskarten werden überarbeitet oder neu erstellt.
Dem Touristen ist es dann möglich ohne Führung Spandau zu entdecken. Diese Karten sollen in der Form von Abreissblöcken erscheinen.

3) Ein zentrales Spandauportal ist nach 1 ½ Jahren in den Anfängen. Kurze Einblicke in die Planung wurden gewährt.
Die Zweisprachigkeit, mit der Option weitere Sprachen einzubinden, ist tatsächlich etwas Besonderes und ebenso wie die angekündigte Möglichkeit Hotels online zu buchen den Gästen Spandau schon lange geschuldet.
Eingetragene, wohl dann auch zahlende, gewerbliche Nutzer, wie Hotels oder Dienstleister können eigene Inhalte, eigenverantwortlich dort einstellen. Hier muss schon allein auf Grund der selbstständigen Eintragung eine ständige Kontrolle gewährleistet werden. Um aktuell zu bleiben, ist die kontinuierliche Zuführung von Inhalten zu akquirieren. Hieran, und an der Finanzierung der Grundbetreuung, sind viele der Internetdienstleister zuvor gescheitert.
Die vorgestellte, und auch schon im Internet betrachtbare, Grundfarbgestaltung ist ungewöhnlich. Ein Bezug zur Marke Spandau ist nicht erkennbar. Das Logo selbst ist zwar auf der einzig zurzeit vorhandenen Startseite dargestellt, hier sind aber auch schon dessen Grenzen klar erkennbar.
Es stellt sich die Frage, warum hier keine einheitliche Darstellung aller Medien entwickelt bzw., wenn vorhanden, umgesetzt wurde, um eine größere Wiedererkennbarkeit zu erreichen. Auch hier entsteht der Eindruck, als ob wichtige Schritte in der Entwicklung fehlen.

4) Gegenüber dem Rathaus wird in der „Spandau-Ellipse“ ein „Touristen-Informations-Punkt“, kurz TIP genannt, entstehen.
Ideengeber hierfür ist der Inhaber der Theaterkasse „Spandau Ticket“, Heiko Glauert, der den TIP in seinen Theaterkassenräumen ehrenamtlich unterhalten wird.
Dies ist eine echte Innovation und vor allem eine vernünftige Alternative zur versteckten „Spandau-Information“ im Gotischen Haus.

5) Um in eine, an attraktiven Veranstaltungen armen Zeit mehr Pepp zu bringen wurde ein Veranstaltungswettbewerb unter dem Motto "Frühlingserwachen - 50 tolle Tage zwischen Ostern und Pfingsten" ins Leben gerufen und prämiert. Eine Bussightseeing Tour und das schon bestehende Pfingstkonzert der IG Wilhelmstadt, nun zeitlich gestreckt, konnten die Jury für sich begeistern.
Der Sinn lag ursprünglich in der Neuentwicklung von Veranstaltungen unter Berücksichtigung von touristischen Belangen, also für Touristen interessante Veranstaltungen, die auf Spandau neugierig machen, in einer Zeit, in der wenige Veranstaltungen durchgeführt werden.
Ist hier tatsächlich der Sinn erkannt worden?
Innovativ wäre eine Veranstaltung gewesen, die wöchentlich an einem anderen Ort gastiert und für Spandau wirbt.
Wenn die Preisgelder, zusammen mit der hohen Unterstützungssumme für die Veranstaltung "St.Englmar", einer Veranstaltung, die die Spandauer in das schöne St. Englmar lockt, aber keine Touristen nach Spandau, für ein solches Projekt investiert worden wären, hätte an ca. 30 Wochenenden Deutschlandweit für Spandau geworben werden können.

Schlussendlich wurde stets betont, dass bei der Entwicklung des Tourismusprojektes 100 Personen mitgewirkt haben. Die Ergebnisse sind somit aus einem 1 ½ jährigen Entwicklungsprozess vieler ( 100 ) Mitwirkender entstanden.
Diese geballte Kompetenz gestattet kaum Nachfragen.
Ist es aber nicht vielmehr so gewesen, dass bei den einzelnen Workshops schon die Ergebnisse in Powerpointpräsentationen vorlagen, die zwar vor Ort marginale Veränderungen zuließen, Kernaussagen, wie das schwammige Leitbild, trotz Kritik, unverändert blieben?
Fazit zur Zeit: Nicht ganz nichtssagend – aber blass wie das Logo.

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